BLOG

Dr. Stephan Bücker – Der BGH zwischen Kunstfreiheit und Privatsphäre

Photo by Jakob Owens on Unsplash

Der BGH zwischen Kunstfreiheit und Privatsphäre – Verletzt die filmische Darstellung des Lebens einer Person dessen Persönlichkeitsrecht?

Eine bloße Darstellung einer realen Person durch einen Schauspieler ist kein Bildnis iSd § 22 S. 1 KUG und die dargestellte Person hat keinen Anspruch auf Unterlassung gegen die Filmproduzenten. Das hat der BGH in einer neuen Entscheidung vom 18. Mai 2021 klargestellt.

Grundsätzlich ist das Recht am eigenen Bild ein besonderer Fall des allgemeinen Persönlichkeitsrechts, welches jedem Einzelnen zusteht. Eine Veröffentlichung von Fotos oder Videoaufnahmen einer Person sind nach dem Kunsturhebergesetz nur mit Einwilligung oder unter Vorliegen der besonderen Ausnahmen gem. § 23 KUG erlaubt. Bevor jedoch das Vorliegen einer Einwilligung geprüft wird, muss es sich bei der Darstellung der Person um ein Bildnis handeln. Denn liegt schon gar kein Bildnis vor, kann auch das Recht am eigenen Bild nicht betroffen sein. Ein Bildnis ist eine Darstellung einer Person, die es ermöglicht, die Identität der Person auszumachen.

Zum Fall: Der Kläger besuchte in den 1980er Jahren die Odenwaldschule und wurde dort Opfer sexuellen Missbrauchs. Zur Aufklärung des Geschehens trat er unter einem Pseudonym an die Öffentlichkeit. Hierfür wirkte der Betroffene auch an einem Dokumentarfilm mit. Im Jahr 2011 veröffentlichte er eine Autobiographie, woraufhin er mit einem Geschwister-Scholl-Preis ausgezeichnet wurde. Letztendlich legte er sein Pseudonym ab und tritt seitdem unter Klarnamen auf. Die Filmproduzenten der ndF:Berlin griffen im Auftrag des WDR die Geschichte der Odenwaldschule auf und veröffentlichten im Jahr 2014 einen Fernsehfilm. Die Erfahrungen und Geschichte des Klägers dienten als Vorbild für die zentrale Figur im Film „die Auserwählten“. Gedreht wurde auch an den Originalschauplätzen.

Verletzung des Rechts am eigenen Bild aus § 22 S. 1 KUG

Ist eine Person in ihrem Recht am eigenen Bild verletzt, kann sie grundsätzlich einen Unterlassungsanspruch gegen den Verletzer geltend machen (aus § 1004 I 1 analog, § 823 I BGB iVm Art. 1 I GG, Art. 2 I GG). Hintergrund dieser Regelung ist, dass jeder Person ein Selbstbestimmungsrecht zusteht. Sie soll selbst entscheiden können, ob überhaupt und in welchem Zusammenhang Aufnahmen veröffentlicht werden. Eine wichtige Ausnahme von diesem Einwilligungsgrundsatz und Selbstbestimmungsrecht ist das Vorliegen eines Bildnisses der Zeitgeschichte. Hiervon betroffen sind vor allem Personen des öffentlichen Lebens. Aber auch andere, die im Fokus der Öffentlichkeit stehen. Trotz Ausnahme findet immer eine Abwägung zwischen den Interessen der Öffentlichkeit und Presse und den Interessen des einzelnen Abgebildeten statt. Im Vorliegenden Fall kam es jedoch nicht auf das Vorliegen einer Einwilligung oder dem Vorliegen eines aktuellen Zeitgeschehens an. Die zwei vorhergehenden Instanzen und jetzt auch der BGH sahen das Recht am eigenen Bild aufgrund eines fehlenden Bildnisses nicht als betroffen an.

Gründe des BGH: Der BGH argumentierte das Fehlen des Bildnisses vor allem damit, dass es sich um eine bloße schauspielerische Darstellung handelt. Erst wenn der täuschend echte Eindruck erweckt wird, es handle sich tatsächlich um die dargestellte Person selbst, ist das Recht am eigenen Bild betroffen. Das wäre zum Beispiel bei der Darstellung durch einen Doppelgänger der Fall. Sonst steht dieses Recht nur dem Schauspieler selbst zu. Eine Filmfigur, welche eine reale Person verkörpert, wird vielmehr als eine eigenständige Kunstfigur angesehen.

Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts aus Art. 1 I GG iVm Art. 2 I GG

Auch unter Berufung auf das allgemeine Persönlichkeitsrecht (Art. 1 I GG iVm Art. 2 I GG) hatte der Kläger keinen Anspruch auf Unterlassung. Obwohl das Persönlichkeitsrecht im Grundsatz betroffen ist, wäre hier ein Eingriff in die Kunst- und Filmfreiheit wesentlich schwerwiegender. Wurde bereits vorher das persönliche Schicksal einer Person veröffentlicht, kann dies auch in einer künstlerischen Weise wieder aufgegriffen werden. Je stärker sich eine Person selbst in die Öffentlichkeit drängt und private Lebenssachverhalte preisgibt, umso mehr muss sie den Eingriff in ihr Persönlichkeitsrecht dulden, ehe sie sich auf eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts berufen kann.

Im Grundsatz ist das Recht am eigenen Bild wesentlich strenger als das allgemeine Persönlichkeitsrecht. Trotzdem muss eine hinreichende Erkennbarkeit und Ähnlichkeit der einzelnen Person mit dem Schauspieler vorliegen, damit von einer Verletzung des Rechtes am eigenen Bild ausgegangen werden kann. Greifen Filmproduzenten eine persönliche Geschichte auf, die bereits von der Person selbst an die Öffentlichkeit getragen wurde, müssen sie in der Regel auch keine diesbezüglichen Unterlassungsansprüche der Person wegen einer Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts befürchten.

https://www.faz.net/aktuell/feuilleton/medien/ard-film-die-auserwaehlten-bundesgerichtshof-weist-klage-ab-17347272.html

Dr. Stephan Bücker, Medienanwalt, Unternehmer und Dozent

Dr. Stephan Bücker, LL.M.

Medienanwalt, Unternehmer & Dozent an der TH Köln

Let’s stay connected!

Kategorien

Wir verwenden Cookies, um Ihnen den bestmöglichen Service zu gewährleisten. Die Auswahl der Cookies können Sie dabei selbst entscheiden. Bitte beachten Sie, dass auf Basis Ihrer Einstellungen möglicherweise nicht mehr alle Funktionalitäten der Seite zur Verfügung stehen. Weiterführende Informationen finden Sie in unserer Datenschutzerklärung.

Cookies, die wir verwenden

Hier können Sie Ihre Cookie-Einstellungen verwalten.

Notwendig

So verwalten Sie Cookies

Verwaltung Site-spezifischer Cookies
Wenn Sie wissen möchten, welche Site-spezifischen Cookies gespeichert wurden, prüfen Sie die Datenschutz- und Cookie-Einstellungen Ihres bevorzugten Browsers.

Cookies blockieren
In den meisten modernen Browsern können Sie einstellen, dass keine Cookies auf Ihrem Gerät abgelegt werden sollen. Der Nachteil ist, dass Sie jedes Mal, wenn Sie eine Website erneut besuchen, manuell Einstellungen vornehmen müssen. Einige Dienste und Funktionen dürften dann nicht richtig funktionieren (z. B. Anmeldung mit Ihrem Profil).

Akzeptieren Ablehnen

Beitrag teilen

Teile diesen Beitrag mit deinem Netzwerk!