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Metallica und Volksmusik
Twitch vs. RIAA: Ironie des Schicksals oder tragisch-komischer Höhepunkt des Urheberrechtstreits?
Twitch und die Musikindustrie: die Auseinandersetzung hat einen weiteren, unrühmlichen Höhepunkt erreicht. Aufgrund der anhaltende Corona Pandemie, sind Künstler aber auch Eventveranstalter nunmehr gezwungen, auf neue und kreative Lösungen zu kommen. Daher ist der Spielepublisher Blizzard (u.a. international bekannt durch die Produkte StarCraft und World of Warcraft) auf die derzeit einzige mögliche Alternative umgestiegen und hat die jährliche Computerspielemesse BlizzCon, auch bekannt als BlizzConline, in ein Live-Stream Event umgewandelt. Special Guest war u.a. die Band Metallica. Diese performte ihren Klassiker „From Whom The Bells Tolls“. Das Ganze wurde auf diverse Livestreaming Plattformen übertragen, u.a. auf Youtube und Twitch. Doch bereits nach 30 Sekunden entwickelte sich der Live-Stream auf Twitch zu einer denkwürdigen Situation, die in die Geschichte eingehen könnte als eine der größten Pannen in einer Videospiel-Veranstaltung.
Während die Zuschauer den Auftritt und die Musik der Band auf der Webseite von Blizzard oder YouTube entspannt genießen konnten, wurden die Twitch Zuschauer überrascht. Nach nur wenigen Sekunden Originalmusik wurde lizenzfreie 8 Bit Volksmusik über den Stream gelegt. Lediglich ein eingeblendeter Hinweis erklärte die Situation – die nachfolgende Darbietung unterliege dem Urheberrechtsschutz durch den jeweiligen Rechteinhaber. Unpassender hätte die Auswahl nicht fallen können und die Auseinandersetzung zwischen Twitch und der Musikindustrie erlangte wahrscheinlich ihren tragisch-komischen Höhepunkt. Die ironischen Kommentare auf den Social Media Plattformen ließen auch nicht lange auf sich warten und führten zu einem wahren Shitstorm zu Lasten des Plattformbetreibers. Der Clip ging u.a. auch auf Twitter viral.
Ist Twitch mittlerweile so eingeschüchtert durch die RIAA, dass sie sogar die eigene Musik der Band Metallica stumm schaltet?
Hintergrund: Seit ca. einem Jahr stehen Twitch und die amerikanischen Musikindustrie in einem Konflikt. Anders als YouTube oder Facebook hat Twitch bislang keine Absprache mit den großen Musiklabels abgeschlossen, die eine freie Nutzung von Musik in den Streams erlauben würde. Daher nimmt vor allem die Recording Industry Association of America (RIAA), die Plattform seit gut einem Jahr genauer unter die Lupe, mit dem Ziel, urheberrechtliche Verletzungen besser zu ahnden und bestmöglich zu verhindern. In den AGB von Twitch ist das Abspielen von Musik – ohne selbst die Rechte dafür inne zu haben – ausdrücklich verboten. Ist man jedoch selbst Urheber sollte es eigentlich keine Probleme geben. Immerhin würde man keine fremden Rechte verletzten.
Bei dem übertragenen Live-Konzert fürchtete sich Twitch wohl trotzdem vor einer eigenen Urheberrechtsverletzung und um keine Abmahnung durch den DMCA (Digital Millenium Copyright Act) zu erhalten schaltete die Plattform zur Sicherheit die Musik stumm. Blizzard selbst hatte für seine Kanäle vorher sämtliche Rechte eingeholt.
Ironie des Schicksals für Metallica
Dass ausgerechnet Metallica selbst jetzt aus rechtlichen Sorgen im Internet stumm geschaltet wird, bringt einen Hauch von Ironie des Schicksals. Metallica und der Kampf gegen Urheberrechtsverletzungen sind eine altbewährte Kombination. So klagte die Band im Jahr 2000 gegen die Musikplattform Napster. Auf dieser war der kostenlose Austausch und Download von Musik möglich. Die damals neuartige und unkomplizierte Art Musik zu verbreiten und zu kopieren rüttelte an der Geschäftsgrundlage der Musiker. Auch wenn Metallica damals Recht hatte wurde ihr striktes Vorgehen als „PR-Desaster“ angesehen. Letztendlich führte die Klage dazu, dass ca. 300.000 Nutzer gebannt wurden und den Anfang vom Ende der Plattform Napster einleitete. Infolgedessen wurde sie in ihrer ursprünglichen Form 2001 abgeschaltet. Heutzutage hat sich der kostenpflichtige Download und das Streaming etabliert und in der Regel auch ein guter Schutz des Urheberrechts.
Es bleibt weiterhin offen, wie Twitch die Problematik in Zukunft lösen wird. Das neue Soundtrack Tool von Twitch gibt immerhin den Streamern eine Möglichkeit, direkt lizenzfreie Musik für ihre Streams auswählen zu können. Ob dies zu den gewünschten Ergebnissen führt und zu einer mittelfristigen Befriedung der Auseinandersetzung mit dem RIAA, bleibt allerdings abzuwarten.
Manch ein Fan mag sich mit einem Schmunzeln fragen, ob das Ganze nicht doch noch etwas Gutes hatte: Wird die Übertonung bei den Alt-Rockern vielleicht zu einem Sinneswandel führen und hat Metallica vielleicht für sich ein neues Genre entdeckt? Eins ist sicher, der komische Vorfall war sicher nicht das letzte Kapitel in dem erbittert geführten Streit der Kontrahenten.
To be continued …
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