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Dr. Stephan Bücker – Kampf der roten Bullen

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Die Macht der „Roten Bullen“

Warum die Investitionsfunktion für Inhaber starker Marken von besonderer Bedeutung ist

Eine Marke hat grundsätzlich mehrere Funktionen. Die wichtigste ist dabei die Herkunftsfunktion einer Marke. Diese soll es den Verbraucher auf die Herkunft der gekennzeichneten Waren bzw. Dienstleistungen hinweisen, um es ihm so zu ermöglichen, Produkte unterschiedlicher Unternehmen voneinander zu unterscheiden (vgl. BGH, Urteil vom 07.03.2019, Az. I ZR 195/17 – SAM).  Das Unternehmen steht aus Sicht der Verbraucher dabei i.d.R. für eine bestimmte Qualität des Produktes, wodurch die Herkunftsfunktion ein wichtiges Kaufkriterium darstellt (vgl. EuGH, Urteil vom 25.07.2018, Az. C-129/17 – Mitsubishi). Für die Annahme einer Verletzung der Herkunftsfunktion der Marke ist es dabei schon ausreichend, dass der Eindruck entstehen kann, dass zwischen den betroffenen Waren- und Dienstleistungen der jeweiligen Markeninhaber eine Verbindung im geschäftlichen Verkehr bestehen kann.

Doch es gibt noch weitere Markenfunktionen, auf die sich der Inhaber älterer Markenrechte in einem Verletzungsverfahren stützen kann, wie die Kommunikations-, Investitions- oder Werbefunktionen (st. Rspr., EuGH GRUR 2014, 280 Tz. 30 – De Vries/Red Bull).

Der EuGH hat sich mit der Investitionsfunktion einer Marke erstmalig in seiner richtungsweisenden „Interflora“-Entscheidung auseinandergesetzt. Diese Funktion sichert dem Urteil zufolge insbesondere den durch Werbung und andere Geschäftspraktiken erworbenen „guten Ruf“ einer Marke, der geeignet ist, Verbraucher anzuziehen und zu binden (Urteil des EuGHs vom 22. September (Rs. C-323/09)). In einer neuen, spannenden Entscheidung hat sich nun das Oberlandesgericht Wien erneut mit der Investitionsfunktion von Marken befasst.

Die Bekanntheit der „Roten Bullen“: Red Bull vs. Bullsone

In dem vom Oberlandesgericht Wien zu entscheidenden Sachverhalts ging es dabei um die bekannten „Roten Bullen“ der Red Bull GmbH:

Red Bull vs. Bullsone

Das österreichische Energydrink Unternehmen Red Bull hat diese über Jahrzehnte hinweg international bekannt gemacht. Zwei rote, springende Bullen vor der Sonne. Doch die Red Bull GmbH ist nicht nur weltweit größter Hersteller für Energydrinks, sondern daneben ein bekannter Veranstalter für Sportevents. So finden im Jahr ca. 1027 Veranstaltungen – oft mit dem Fokus auf Extremsport – statt. Im Jahr 2011 hat sich ein dritter roter springender Bulle eingereiht. Das südkoreanische Unternehmen Bullsone hatte nunmehr sein vorher comicähnliches Logo wie folgt geändert:

Red Bull vs. Bullsone

Bullsone vertreibt, anders als die Red Bull GmbH, Autopflegeprodukte und hat in seinem Heimatland Südkorea einen Marktanteil von 90%. Doch der geplanten Expansion auf den europäischen und amerikanischen Markt hat sich die Red Bull GmbH unter Berufung auf Art. 9 Abs. 2 lit. c UMV in den Weg gestellt.

Der Vorwurf:

Bullsone möchte von der Bekanntheit und dem guten Ruf der älteren Marken der Red Bull GmbH profitieren. Die Besonderheit des Falles ergibt sich daraus, dass Red Bull keine ähnlichen Waren oder Dienstleistungen zu denen von Bullsone vertreibt und keine Markenrechte für Autopflege Produkte innehatte.

Substanzielle Schutzbereichserweiterung durch Unionsrecht und die Investitionsfunktion

Am Ende gab das Wiener Gericht der Red Bull GmbH aber Recht. Gemäß Art. 9 Abs. 2 lit. c UMV kann der Inhaber einer Unionsmarke Dritten nämlich die Nutzung eines identischen oder ähnlichen Zeichens verbieten, unabhängig davon, ob beide ähnliche Waren und Dienstleistungen am Markt anbieten oder nicht. Dabei kommt es darauf an, ob der Wettbewerber durch Nutzung des Zeichens die Unterscheidungskraft oder die Wertschätzung der älteren Marke in unlauterer Weise ohne Rechtfertigungsgrund beeinträchtigt.  Art. 9 UMV kann somit unter Umständen den Schutzbereich einer bekannten Unionsmarke substanziell erweitern. Ihr kommt ein eigener wirtschaftlicher Wert auch für die Klassenbereiche zu, für die ansonsten, mangels Eintragung kein Markenschutz besteht.

Erforderlicher Bekanntheitsgrad innerhalb der maßgeblichen Verkehrskreise

Um der älteren Marke die Schutzbereichserweiterung zuzusprechen, kommt es dabei vor allem auf ihren Bekanntheitsgrad an. Hier wird nicht auf die Allgemeinheit abgestellt, sondern das maßgebliche Publikum, auch Verkehrskreise genannt. Das sind diejenigen Personen, die mit der Marke und ihren Waren und Dienstleistungen in relevantem Maße in Berührung kommen.

Der erforderliche Bekanntheitsgrad ist als erreicht anzusehen, wenn die Unionsmarke einem bedeutenden Teil des Publikums bekannt ist, das von den durch diese Marke erfassten Waren oder Dienstleistungen betroffen ist (EuGH C-301/07, GRUR 2009, 1158 Rn. 21, 24 – Pago/Tirolmilch).

Bei der Prüfung, ob eine Unionsmarke in der Union bekannt ist, sind alle relevanten Umstände, d.h. insbesondere der Marktanteil der mit der Marke gekennzeichneten Waren und/oder Dienstleistungen, die Intensität, die geografische Ausdehnung und die Dauer ihrer Benutzung sowie der Umfang der Investitionen, die der Markeninhaber zu ihrer Förderung getätigt hat, zu berücksichtigen (EuGH C-301/07, GRUR 2009, 1158 Rn. 25 – Pago/Tirolmilch). Beim Nachweis der Bekanntheit wird den Marktanteilen von den Gerichten häufig eine relativ geringe Bedeutung beigemessen.

Hat die betroffene Unionsmarke dabei einen hohen Bekanntheitsgrad erreicht, kann die Verwendung eines ähnlichen Zeichens durch einen Dritten, eine Rufausbeutung der älteren Markenrechte und mithin eine Verletzung der Investitionsfunktion der älteren Marke darstellen, wenn die relevanten Verkehrskreise eine Verbindung zur bekannten älteren Marke herstellen.

Der Begriff „unlautere Ausnutzung der Unterscheidungskraft oder der Wertschätzung der Marke”, auch als „Trittbrettfahren” bezeichnet, ist dabei nicht mit der Beeinträchtigung der Marke verknüpft, sondern mit dem Vorteil, den der Dritte aus der Benutzung des identischen oder ähnlichen Zeichens zieht. Er umfasst insbesondere die Fälle, in denen auf Grund der Übertragung des Images der Marke oder der durch sie vermittelten Merkmale, auf die mit dem identischen oder ähnlichen Zeichen gekennzeichneten Waren eine eindeutige Ausnutzung der Sogwirkung der bekannten Marke gegeben ist (EuGH, Urteil vom 18.6.2009 – L’Oréal)

Red Bull wurde genau diese Bekanntheit durch das OLG in Wien zugesprochen. Das Unternehmen ist weltweit für seine sportlichen Veranstaltungen bekannt. Daneben ist Red Bull in der Formel 1 beteiligt und lizenziert die Marke auch in der Automobilbranche. Das OLG Wien nahm drüber hinaus an, dass Bullsone durch die Verwendung eines ähnlichen roten Stiers das positive Markenimage auf seine Marke projizieren wollte, um die Expansion auf dem europäischen und amerikanischen Markt voranzutreiben und mithin eine Ausnutzung der Wertschätzung der älteren Markenrechte der Red Bull GmbH vornahm (Verunglimpfung).

Fazit

Der Fall Red Bull zeigt, welch eine große Rolle die Bekanntheit einer Marke für deren Markenschutz spielt. Vor allem für Branchen, in denen die Markeninhaber selbst noch keine eigenen Waren oder Dienstleistungen anbieten, können Sie durch die Zuerkennung der Investitionsfunktion ihrer Marken einen weiten Schutz genießen. Dies ist auch richtig. Denn gerade aufgrund der Bekanntheit, die sich Unternehmen durch jahrelanges Marketing aufbauen, ist es wichtig ihr Image und Qualitätsversprechen zu schützen. So ist es besonders ärgerlich, wenn ein Wettbewerber auf das positive Image aufspringt und die Sogwirkung der älteren Marke für sich nutzt.

Urteil des Oberlandesgericht Wien vom 28.07.2020, Az.: 1 R 140/19v

Dr. Stephan Bücker, Medienanwalt, Unternehmer und Dozent

Dr. Stephan Bücker, LL.M.

Medienanwalt, Unternehmer & Dozent an der TH Köln

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