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Dr. Stephan Bücker – „Bavaria Weed“

Photo by Markos Mant on Unsplash

Da scheiden sich die Geister

„Bavaria Weed“ und die gescheiterte Markenanmeldung – Entspannte Öffentlichkeit vs. spießige öffentliche Ordnung?

Wer kennt sie nicht. Die altbekannte Redensart. Die Redensart „Da scheiden sich die Geister“ meint hier nicht Gespenster oder andere Spukgestalten, sondern beschreibt den menschlichen Geist – unsere Meinungen und Ansichten. Die „Geister“, die sich an einem Punkt scheiden, gehen also auseinander – sie sind unterschiedlich. Bei keinem unbestimmten Rechtsbegriff wird dies wohl so deutlich, wie bei der „öffentlichen Ordnung“.

Die öffentliche Ordnung ist ein abstraktes Rechtsgut und nicht ganz so leicht zugänglich. Das deutsche Bundesverfassungsgericht versteht unter öffentlicher Ordnung „…die Gesamtheit der ungeschriebenen Regeln, deren Befolgung nach den jeweils herrschenden sozialen und ethischen Anschauungen als unerlässliche Voraussetzung eines geordneten menschlichen Zusammenlebens innerhalb eines bestimmten Gebiets angesehen wird“.

So weit so gut. Was aber sind die „jeweils herrschenden sozialen und ethischen Anschauungen“? Die Auslegung dieser Vorgaben unterliegt mithin den gesellschaftlichen Wandlungen und unterschiedlichen Betrachtungswinkeln. Das musste jetzt auch das bayerische Unternehmen Bavaria Weed erfahren, dass das folgende Zeichen als Unionsmarke zu seinen Gunsten eintragen wollte:

Bavaria Weed Logo

Das passte der EUIPO also auch dem EuG aber gar nicht und man lehnte die Eintragung der Marke wegen eines Verstoßes gegen die öffentliche Ordnung (Art. 7 Abs. 1 lit. f UMV) ab.

Die EUIPO war der Auffassung, dass die Marke den Konsum von Marihuana fördere, bewerbe oder zumindest verharmlose und deshalb gegen die öffentliche Ordnung verstoße. Stein des Anstoßes war aber nicht nur das Hanfblatt, sondern auch der mit dem Zeichen verbundene Begriff „Weed“, dass in seiner umgangssprachlichen Bedeutung insbesondere als Freizeitdroge bekannt sei und sich daher in seiner umgangssprachlichen Bedeutung auf eine Droge beziehe, die in einem Freizeitkontext verwendet wird, um ein Gefühl des Rauschs, des Hochgefühls oder des Deliriums zu erreichen.

Das Gericht als auch das Amt hatten die Sorge, dass die Gefahr der „Verharmlosung“ des Begriffes bestünde, sofern dieser mit Dienstleistungen therapeutischer Art verbunden würde und sogar in der breiten Öffentlichkeit der Eindruck erweckt würde, der Konsum und die Herstellung der Betäubungsmittel, auf die das fragliche Zeichen anspielt, werde toleriert oder sogar gefördert. Auch könne hier gegen das eigene Wertesystems der Mitgliedstaaten verstoßen werden, die diese als grundlegend ansehen, wie im vorliegenden Fall die Bekämpfung und Vorbeugung des Konsums illegaler Betäubungsmittel. Aber ist dem wirklich noch so?

In Zeiten allgemeiner Bestrebungen zur Legalisierung von Cannabis wirkt die Entscheidung doch eher befremdlich. Titelte die „Welt“ doch noch am 21. Mai 2021:

„Cannabis-Legalisierung rückt näher – ob es der Union passt oder nicht“

und beschreibt einen weltweiten Trend zur Legalisierung. Die Begriffe Hanf, Cannabis, Marihuana und Haschisch werden im deutschsprachigen Raum dabei häufig als Synonyme verwendet. Cannabis ist im Prinzip nichts anderes als die Hanfpflanze. Als Marihuana werden hingegen nur die getrockneten, harzhaltigen Blüten und blütennahen Blätter der weiblichen Hanfpflanze bezeichnet, die ebenfalls als Arzneimittel benutzt werden.

Die Feststellungen des EuG stimmen daher wohl nicht mehr zu 100% mit den gesellschaftlichen Entwicklungen überein. Die Legalisierung von Cannabis – zumindest für therapeutische Zwecke – findet in den EU-Staaten immer mehr Anklang.

Entspannte Öffentlichkeit vs. spießige öffentliche Ordnung?

Die Stadt Frankfurt und die Marketingindustrie sehen das ganze Thema etwas lockerer. So ist Frankfurt neben der therapeutischen Legalisierung ein Vorreiter in Sachen Eigenbedarf. Die Obergrenze soll angehoben werden und zusätzlich soll es in Zukunft möglich sein, einen Eigenanabau mit bis zu vier Cannabispflanzen ohne Strafverfolgung zu besitzen. Die Marketingindustrie setzt in den letzten Jahren vermehrt auf die nicht berauschende Schwester; den Hanf. Es gibt immer mehr Hanfprodukte für den Alltag. Zwischen Pflegeprodukten und schmerzlindernden CBD-Ölen, finden Hanffans mittlerweile auch Hanfsalami auf der Tiefkühlpizza. Um Aufmerksamkeit zu erregen, wird für das Design häufig das klassische Cannabisblatt verwendet. So zuletzt auch der deutsche Keks-Hersteller Leibniz für die Pick-Up Hanf Sonderedition. Auf der Verpackung prangt zusätzlich groß der Begriff „High“. In Verbindung mit der abgedruckten 5 bezieht sich das Design natürlich nur auf die „High Five“ Geste und die Anzahl an Minikeksen in der Packung, nicht auf eine berauschende Wirkung.

Andere öffentliche Ordnung vor 25 Jahren?

Vor 25 Jahren sah das europäische Gericht die Angelegenheit wohl auch noch lockerer. Wirft man auch einmal einen Blick in das Register des EUIPO wird klar, „Bavaria Weed“ wäre nicht die erste Marke, mit dem Begriff „Weed“. Hat das europäische Markenamt hier geschlafen oder kommt es im Gegensatz zu ihrer Argumentation nun doch auf das Verhalten des Markenanmelders an. Denn die Anmeldung von „Weed Eaters“ in Bezug auf Gartengeräte ist im Jahr 1996 durchgegangen. Denn „Weed“ ist eigentlich das offizielle Wort für Unkraut und passt somit zu Rasenmähern und Gartengeräten. Im letzten Urteil machte das EuG jedoch deutlich, es reiche bereits aus, wenn EINE Bedeutung des Wortes schon gegen die öffentliche Ordnung verstößt. Wieso dies damals nicht von Bedeutung und zu keiner Verharmlosung von Cannabis führt, ist fraglich. Es scheint als wären die Richter des EuG und das EUIPO vor 25 Jahren in Bezug auf Weed entspannter gewesen.

Wie das Eintragungsverbot und die zeitgleiche Legalisierung zusammenpassen, bleibt offen. Auch im Hinblick auf die Auslegung des Begriffs öffentliche Ordnung bedarf es hier wohl einer notwendigen und zeitgemäßen Anpassung. Eins ist sicher, die gescheiterte Anmeldung hat zu Gunsten von Bavaria Weed für viel Aufmerksamkeit gesorgt. Zumindest hier scheiden sich keine Geister.

Dr. Stephan Bücker, Medienanwalt, Unternehmer und Dozent

Dr. Stephan Bücker, LL.M.

Medienanwalt, Unternehmer & Dozent an der TH Köln

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